Die Steppe wird blühen: Impuls für die adventliche Zeit
„Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe / und blühen wie die Lilie. Sie wird prächtig blühen / und sie wird jauchzen, ja jauchzen und frohlocken. Die Herrlichkeit des Libanon wurde ihr gegeben, / die Pracht des Karmel und der Ebene Scharon. Sie werden die Herrlichkeit des HERRN sehen, / die Pracht unseres Gottes.“
Aus dem Buch des Propheten Jesaja 53,1.2
Barbarazweige
Im Advent, den vorweihnachtlichen Tagen, einer kalten Jahreszeit holen wir uns gerne leuchtende Gewächse in unsere Wohnungen. Manche holen selbst Zweige von Kirschbäumen oder Forsythien in die warme Wohnung und hoffen, dass diese an Weihnachten ihre Blüten zeigen. Gleich zu Beginn des Advents, am Tag der heiligen Barbara, werden diese Zweige in die Wohnungen gebracht. Schon wenige Tage später sind Knospen erkennbar und bald werden diese aufbrechen und blühen. In der sonst dunklen Welt ist dies ein Hoffnungsschimmer auf weiteres Wachstum der Natur. Es ist eine Freude erleben zu dürfen, dass in einem abgeschnittenen Zweig so viel Kraft steckt und lässt ein wenig das Wunder der Schöpfung erkennen. Der Gedenktag von Barbara liegt am Beginn des neuen Kirchenjahres. Nach regionalem Volksglauben bedeutet das Aufblühen der Barbarazweige Glück im kommenden Jahr.
Nach der christlichen Legende wurde Barbara zum Tode verurteil, weil sie ihrem Glauben als Christin treu blieb. Auf dem Weg in den Kerker blieb sie an einem Zweig hängen. Sie stellte den abgebrochenen Zweig in ein Gefäß mit Wasser, und er blühte genau an dem Tag, an dem sie zum Tode verurteilt wurde. Da man der Heiligen Barbara am 4. Dezember gedenkt, heißen die Zweige, welche man an diesem Tag für Weihnachten schneidet, Barbarazweige.
Dieses Bild des aufblühenden Barbarazweiges ist ein schönes Bild für die adventlichen Tage. In dieser Zeit für Besinnung darf man sich auch den Fragen stellen: Was mache ich eigentlich, wenn zu erkennen ist, dass sich so schnell nichts ändern wird – im persönlichen Leben, in der Beziehung, im Umfeld? Kleine Erlebnisse und Erfahrungen helfen dann doch weiter, weil damit auch eine gewisse Hoffnung verbunden ist. Wir wünschen, erwarten und erhoffen uns doch eine gute Welt, in der wir leben, arbeiten, frei denken und planen dürfen. Da durchleben wir eine Zeit der Wüstenerfahrung, wenn so gar nichts im Leben zu gelingen scheint, wenn keine Perspektive zu erkennen ist und mancher Halt verloren scheint.
Worte des Trostes und der Ermutigung
Hier will ich auf die Worte hinweisen, die der Prophet Jesaja den Menschen seiner Zeit zugesprochen hat. „Die Steppe wird blühen!“ Damit verbunden ist doch die Freude über einen Neubeginn, wo nichts mehr zu erhoffen war. Tatsächlich blüht die Wüste nach wenigen Regentropfen auf und verwandelt Hügel in ein buntes Meer von Blüten. Dieses Erlebnis nahm der Prophet in seine ermunternde Rede an das Volk auf und konnte dadurch die Hoffnung auf ein freiheitliches und selbstbestimmtes Leben festigen.
Seine hoffnungsgebenden Worte sind wohl vor langer Zeit gesprochen, aber sie vermitteln auch heute Zuversicht in scheinbar ausweglosen Gegebenheiten. Eine kleine Anstrengung ist allerdings damit verbunden, wenn sich Zuversicht und Hoffnung im Leben zeigen sollen. In der adventlichen Zeit darf ich mir Momente und einen Raum der Stille gönnen. Mein eigenes Leben darf ich mit hoffnungsvollen Bildern und Worten anreichern.
Die Barbarazweige, die ins Haus gebracht wurden, blühen nicht von heute auf morgen. Eine gewisse Pflege der Zweige ist erforderlich. Hinzu kommt die Aufgabe, warten zu können. Dieses Bild darf als Metapher gebraucht werden für die eigene Erfahrung, für das eigene Leben. Manches braucht eben seine Zeit, bis es blühen wird.
Mit unterschiedlichen Bildern von blühenden Gewächsen will ich Sie einladen, sich selbst dem Advent zu stellen, der anfragt, ob genügend Vertrauen und Hoffnung, Zuversicht und Freude im Herzen vorhanden sind.
Das Bild einer Sandlilie mag den Worten des Propheten Recht geben.
Eine gesegnete adventliche Zeit!
Bernhard Stühler, Pfarrer