Julius-Blog

24.06.2020

"Wir können mit Ausnahmesituationen umgehen"

Seit bald zehn Jahren tauschen sich zwölf Verantwortliche von Krankenhäusern der Regionen Würzburg und Main-Rhön regelmäßig beim Klinikstammtisch über krankenhausspezifische Themen aus. Nun hoben die Geschäftsführer mit dem Klinik-Schoppen ein neues Format aus der Taufe.

Damit legen die Krankenhauschefs den Finger auf die buchstäbliche Wunde, die durch Corona jetzt noch weiter aufriss. Es geht um Vieles, um eine längst fällige bedarfsorientierte Krankenhausplanung um die Reformierung des DRG-Systems, um die Finanzierung von Investitionen in den Häusern um den Abbau von Bürokratie in der Pflege um die Rolle der privaten Träger in der Gesundheitsversorgung und um den Einfluss der Krankenkassen – die Liste ist umfangreich und ganz und gar nicht neu.

Krankenhausplanung zukunftsfähig gestalten

Sie ist auch nicht durch Corona entstanden, sondern währt schon länger. Den Klinikchefs geht es dabei auch nicht um Schuldzuweisungen, sie möchten jetzt die Krankenhausplanung auf zukunftsfähige Beine stellen und hierbei die Probleme ansprechen, die in den vergangenen Monaten aufgedeckt wurden, jedoch schon in den Jahren zuvor sukzessive entstanden sind und jetzt dringend und zeitnah gelöst werden müssen.

„Wir vertreten Häuser unterschiedlicher Größe und Aufgaben, vom Grund- bis zum Maximalversorger und möchten aufzeigen, welche Veränderungen geboten sind um die Krankenhaussituation zukunftsfähig zu gestalten“, erklärt Karsten Eck (König-Ludwig-Haus, Würzburg). Dazu haben die Klinikchefs ein Strukturpapier entwickelt, das für sie nicht Forderung, sondern Diskussionsgrundlage ist, um Menschen und auch Entscheider zu sensibilisieren für die Krankenhaussituation der Zukunft.

"Wir können mit Ausnahmesituationen umgehen"

Sie gehen damit bewusst in die Region, weil sie möchten, dass die Krankenhäuser hier in der Region eine Stimme bekommen, gehört und eingebunden werden in Verhandlungen und Prozesse. In einem Pressegespräch stellten die Klinikchefs das Strukturpapier am Dienstagabend in den Juliusspital Weinstuben vor.

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„Bisheriges fortzuschreiben ist keine Lösung“, sagt Jürgen Winter (Leopoldina-Krankenhaus, Schweinfurt). In den vergangenen Wochen und Monaten hätten die gemeinnützigen Krankenhäuser eindrucksvoll bewiesen, dass sie gut mit Ausnahmesituationen umgehen können, seien gerade die unterfränkischen Kliniken noch mehr zusammengerückt, hätten sich geholfen.

Sich kümmern statt Rosinen picken

„Gerade in der Corona-Krise haben kommunale und gemeinnütze Krankenhäuser der Notfallversorgung alles gemacht, was möglich war. Die privaten Krankenhäuser hingegen haben sich vornehm zurückgehalten“, stellt Prof. Dr. Alexander Schraml (Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg) verärgert fest. „Politik ist häufig der Auffassung, dass private Kliniken es besser können als frei gemeinnützige“, fügt Walter Herberth (Stiftung Juliusspital Würzburg) hinzu, „dagegen wehren wir uns, weil wir uns nicht die Rosinen picken, sondern uns kümmern.“

Der Zeitpunkt die Stimme zu erheben sei jetzt gekommen, sind sich die Klinikchefs einig. „Wir brauchen vernünftige Rahmenbedingungen, Strukturen und ein Krankenhaussystem, das funktioniert“, erklärt Winter. Bonizahlungen seien zwar ehrenwert, änderten aber nichts daran, dass eine vernünftige Krankenhausplanung de facto nicht existiere. „Das 2003 eingeführte DRG-System ist ein Hamsterrad, das immer schneller läuft, Zeit für Menschen gibt es dabei nicht“, so Herberth. „Das Lob, das die Pflege in den vergangenen Monaten erhielt, muss jetzt auch umgesetzt werden in der täglichen Krankenhauspolitik – und es muss finanziert werden. Applaus wird leider schnell verhallen.“

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In der Pflege gehe es nicht nur um die Bezahlung, sondern um eine Menge mehr, sagt Volker Sauer (Klinikum Würzburg Mitte) „Pflegekräfte wollen am Patienten arbeiten und nicht nur dokumentieren müssen, Kliniken brauchen Verlässlichkeit, eine Corona-Fallpauschale deckt nicht ab, was wir brauchen.“ Die Klinikchefs halten die von ver.di und der Deutschen Krankenhausgesellschaft vorgeschlagene bedarfsgerechte Personalausstattung in der Pflege (PPR 2.0) für längst überfällig und als ein wichtiges Signal, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern und im Beruf zu halten. Dazu gehört auch, bürokratische Hemmnisse abzubauen.

Ein weiterer Punkt im Strukturpapier, das die Klinikchefs in den kommenden Monaten beim Klinik-Schoppen mit Menschen aus der Region diskutieren und auch weiterentwickeln möchten ist die Rolle der privaten Träger in der Gesundheitsversorgung. Sie müsse neu definiert werden, sagen die Klinikchefs, denn „es geht nicht an, dass aus Überschüssen durch beitragsfinanzierte Gesundheitsleistungen Ausschüttungen an Aktionäre erfolgen“, macht es Prof. Schraml noch deutlicher.

Leistungsfähige Gesundheitsversorgung in der Region

Auch müsse kritisch überprüft werden, ob und inwieweit nicht-öffentliche und nicht-frei-gemeinnützige Träger Gesundheitsversorgung, Kapazitätsvorhaltungen und Notfallversorgungen adäquat sichergestellt haben und künftig sicherstellen werden. Ebenfalls ein Knackpunkt: Der Einfluss der Krankenkassen die ihre Verhandlungsmacht nutzen zum Nachteil der Kliniken und damit auch zum Nachteil der Patienten, so Schraml weiter. „Das kann nicht sein!“

Es gibt also einigen Diskussionsbedarf. Die Klinikchefs bieten mit dem Klinik-Schoppen dazu ein Format an, in dem sie in den kommenden Monaten mit Menschen sprechen wollen, denn „Die Krankenhäuser der Regionen Würzburg und Main-Rhön stehen mit ihren Mitarbeitern 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 52 Wochen im Jahr für das Versprechen einer leistungsfähigen und wohnortnahen Gesundheitsversorgung der Menschen in der Region.“

Hierexterner Link können Sie den Bericht der Main-Post zu diesem Thema lesen.

Sehen Sie hierexterner Link den Beitrag von TV Mainfranken zum Thema.