Im Kreuz ist Leben – Fastenzeit
Siebter Impuls
Gedanken zu den Heiligen Vierzig Tagen vor Ostern 2021
„Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung“
Aus dem Gotteslob, GL 563,1
Worte auf dem Weg durch die Heiligen Vierzig Tage
Verschiedene Darstellungen von Kreuzen im Juliusspital begleiten uns durch die 40 Tage vor Ostern. Kreuze erinnern und mahnen uns an das Leiden Jesu Christi. Zugleich sind Kreuze ein Zeichen des Glaubens, die auch mit besonderen Materialien kunstvoll gestaltet werden. Im Mittelalter wurden Kreuze mit Edelsteinen oder Perlen verziert und Gemmenkreuz genannt.
Ein nach diesem Vorbild gestaltetes Kreuz befindet sich im Besitz der Pfarrkirche im Juliusspital. Aber es ist mehr als ein schön und wertvoll geschmücktes Kreuz. Bei näherer Betrachtung lassen sich die beiden Seiten des Kreuzes mit ihrer jeweiligen Glaubensaussage erkennen. Die Botschaft des Kreuzes ist geprägt von Aussagen des Alten Testaments auf der einen Seite und auf der anderen Seite von der des Neuen Testaments.
Auf der Seite mit den alttestamentlichen Darstellungen thront auf einer Wolke fein eingraviert im oberen Teil des Kreuzesbalken Gott als Schöpfer der Welt. Auf dem Querbalken sind verschiedene Tiere der Schöpfung zu erkennen; darunter auf dem Längsbalken Menschen, die vor ihren Zelten vor einer Signalstange stehen, oder am Boden liegen. Am unteren Teil des Kreuzes lässt die Szene erkennen, wie Personen um das Goldene Kalb tanzen. Darüber steht der Satz: „Israel seines Gotts vergas. Als Moses ihm zu lang aus war. Ein Kalb sie gossen für ihren Gott und betens an das war ein Spott.“ Darüber ist zu lesen: „Der Schlangen Biss dem Volk macht bang. Moses hängt auf die ehren Schlang.“ Auf dem vergoldeten Kreuz wurde die eherne Schlange in Silber dargestellt. Die Szene nimmt Bezug auf die Erzählung vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und auf den langen und gefährlichen Weg durch die Wüste.
Auf der anderen Seite wird der Gekreuzigte von silbernen Blumen mit blauen Steinen und weiteren Edelsteinen eingerahmt. Unter dem Kreuz sind die Worte Jesu an seinen Lieblingsjünger Johannes zu lesen: „Johannes lieber Diener mein, lass dir mein Mutter befohlen sein.“ Wunderschöne gravierte Blumenmuster und Weintrauben auf dem Kreuzesbalken bilden einen würdevollen Hintergrund für den Gekreuzigten.
Das Goldene Kreuz beinhaltet mehrere biblische Botschaften und nimmt Bezug auf Aussagen der Heiligen Schrift. Von der ehernen Schlange wird im Buch Numeri 21,4-9 berichtet:
„Da kam das Volk zu Mose und sagte: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den HERRN und gegen dich aufgelehnt. Bete zum HERRN, dass er uns von den Schlangen befreit! Da betete Mose für das Volk. Der HERR sprach zu Mose: Mach dir eine Feuerschlange und häng sie an einer Stange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht. Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Stange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.“
Die Erzählung vom Goldenen Kalb ist uns ebenfalls geläufig, von der wir im Buch Exodus lesen können. Exodus 32,1-4: „Als das Volk sah, dass Mose noch immer nicht vom Berg herabkam, versammelte es sich um Aaron und sagte zu ihm: Komm, mach uns Götter, die vor uns herziehen. Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. Aaron antwortete: Nehmt euren Frauen, Söhnen und Töchtern die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren tragen, und bringt sie her! Da nahm das ganze Volk die goldenen Ohrringe ab und brachte sie zu Aaron. Er nahm sie aus ihrer Hand. Und er bearbeitete sie mit einem Werkzeug und machte daraus ein gegossenes Kalb. Da sagten sie: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.“
Die Worte aus den Zehn Geboten haben wir uns seit unserer Kindheit eingeprägt: Exodus 20,2-5: „Dann sprach Gott alle diese Worte: Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Kultbild machen und keine Gestalt von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen.“
Es ist erstaunlich, wie viele biblischen Bezüge auf dem „Echterkreuz“ miteinander verbunden sind. Die Worte der Heiligen Schrift und die wunderschöne Ausarbeitung des Kreuzes laden zu einer Meditation über den Glauben ein.
Die neutestamentliche Seite des Kreuzes mit dem Gekreuzigten erinnert uns an den Auftrag Jesu an Johannes. Davon können wir im Evangelium nach Johannes lesen: Joh 19,26-27: „Als Jesus die Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zur Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“
Dieses Wort Jesu am Kreuz ist nicht nur an Johannes gerichtet, sondern auch an uns alle. So wird uns Maria, die Mutter des Herrn, in gleicher Weise anvertraut.
Mit dem Kreuz aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts – aus der Zeit Julius Echters – wird uns zum einen ein tiefes Glaubenszeugnis überliefert. Es darf als Anregung gesehen werden, die Worte der Heiligen Schrift zu bedenken und diese auch in Zusammenhang mit den Worten und Ereignissen des Neuen Bundes zu sehen. Das vergoldete und mit Steinen geschmückte Kreuz bleibt nicht bei der grausamen Hinrichtung Jesu stehen, sondern zeigt Jesus als den erhöhten Herrn, als die Erfüllung des Alten Bundes. Natürlich dürfen wir die Kostbarkeit und die Schönheit des Kunstwerkes nicht vergessen. Mit großer Kunstfertigkeit wurde vor Jahrhunderten ein Werk geschaffen, das auch uns heute anspricht, uns mit Bewunderung vor dem Kreuz mit den beiden Seiten des Alten Bundes und des Neuen Bundes verweilen lässt.
Vor allem ist das Kreuz ein Zeichen des Glaubens und durch die kostbare Darstellung ein Zeichen der Auferstehung, der österlichen Freude und der Herrlichkeit Jesu.
Das goldene Echterkreuz mit seinen Bildern und Aussagen der Heiligen Schrift will Ostern für uns aufleuchten lassen.
Gesegnete Ostertage!
Ihr Bernhard Stühler