Presse

20.09.2018

Das Geheimnis unserer Schatztruhe ist gelüftet

Leider nix drinnen außer ein paar Schnipseln Papier und einem Stück Schnur

Alte schwere Goldmünzen, funkelnde und blinkende Diamanten, Bocksbeutel mit wertvollem Inhalt besonderer Weine … Die Spekulationen dessen, welcher Schatz sich in der Truhe unseres Weingutes wohl befinden könnte gingen weit, weit auseinander und trieben in den vergangenen Wochen auch immer mehr Blüten. Vielleicht liegen auch alte Urkunden des Weinguts oder Dokumente aus der Zeit, in der sie gebaut wurde in der massiven, gut 100 Kilogramm schweren, schwarzen Eisentruhe?

Wir wussten es nicht, denn wir hatten und haben keinen Schlüssel für die sogenannte Kriegskasse aus der Zeit um 1750 bis 1800. Gefunden wurde sie im Gewölbekeller eines ehemaligen Magazins, das für die neue Weinschatzkammer unseres Weingutes umgebaut und eingerichtet werden soll. Dort stand sie herum, abgedeckt mit Folie, versteckt zwischen alten Büromöbeln. „Keiner weiß, wo sie vorher war“, erzählt unser Weingutsleiter Horst Kolesch. Klar war er – wie wir alle - neugierig, was sich den in der schwarzen Kiste befindet. „Sie ist schwer, man sieht nichts, hört, riecht oder fühlt nichts, scheppern tut es auch nicht…“ Es tickte darin aber auch nichts!

Die Truhe hatte keinen Schlüssel, wie sollte es auch anders sein? Und ein Schlüssel, der die Truhe öffnen und damit ihr Geheimnis preisgeben könnte, wurde bisher nicht gefunden obwohl uns viele Schlüssel angeboten wurden. Ein Würzburger legte sogar 12 antike Schlüssel vor Horst Kolesch auf den Tresen des Weinguts, doch passte leider keiner.

Daher entschloss sich unser Weingutsleiter die Schatztruhe endoskopieren zu lassen. Das Juliusspital-Krankenhaus ist ja nur einen Steinwurf entfernt vom Weingut und mit unserem Prof. Dr. Wolfgang Scheppach (Chefarzt der Gastroenterologie und Rheumatologie am Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital), war der Spezialist für Endoskopien schnell gefunden, den es dazu brauchte.

Per Gabelstapler geht es am Mittwochabend für die Schatztruhe vom Weingut zum Krankenhaus, begleitet von einem Tross aus gut zwei Dutzend Medienvertretern. In der Funktionsabteilung wird es dann auch ziemlich „kuschelig“. Wo sich sonst Arzt, Krankenschwester und Patient aufhalten, drängeln sich Reporter und Fotografen. Prof. Scheppach ficht das nicht an. Die Truhe, die auf vier Europaletten stand, muss dort erst einmal runtergehoben werden. „Sonst kann ich nicht arbeiten“, macht der Professor deutlich. Kurzerhand packten vier Medienvertreter – starke Männer – beherzt mit an und setzen die 100 Kilogramm schwere Eisentruhe auf den Boden ab.

Mit einem Kinderendoskop mit einem Außendurchmesser von 5,2 Millimetern schlängelt sich Prof. Scheppach vorsichtig durch das Schlüsselloch. Auf dem Monitor ist sofort das Innere der Eisentruhe zu sehen das sich aber als genauso schwarz herausstellte wie ihr Äußeres. Nein, ein paar rostige Stellen gibt es auch zu sehen. Geduldig dreht der Professor das Instrument, das üblicherweise für Magen-Darm-Spiegelungen genutzt wird, hin und her. Das Ergebnis bleibt gleich: Die Schatztruhe ist leer.

„Ich habe hier schon tausende Patienten untersucht, eine Schatztruhe hatte ich noch nicht dabei“, schmunzelte der Chefarzt und fährt mit dem Endoskop in jede Ecke der Schatzkiste. Geduldig hatte Scheppach eine gute halbe Stunde lang mit verschiedenen Endoskopen im Wert von je 20 000 Euro die Eisentruhe akribisch inspiziert. „Wie ein Magen von innen sieht das nicht aus“, erklärte er den Medienvertretern schmunzelnd.

Sein Fazit: „Da ist nix drinnen außer ein paar Papierschnipsel und dem Rest einer Schnur“, sagt Scheppach am Mittwoch nach dem „Eingriff“. Auf einem der Schnipsel steht in altdeutscher Schrift „Kostenrechnung“, auf dem anderen „Verpfle…“

Als dann das Gros der Medienvertreter abgezogen war, nahm sich der Professor die Truhe nochmals vor. „Jetzt habe ich Ruhe um sie anzuschauen“, sagte er und fand tatsächlich doch noch etwas das aussah, wie ein Stück Brokatstoff. Mehr war der Truhe jedoch nicht zu entlocken.

Die Enttäuschung stand unserem Weingutsleiter ins Gesicht geschrieben. „Das hat jetzt einen Effekt auf mich wie Hagelschlag und Frost auf einmal“, sagt er tieftraurig. Hatte er sich doch auch einen Schatz ausgemalt den die Truhe preisgeben sollte. Schade, schade, daraus ist leider nichts geworden. Ein letzter Blick mit dem Endoskop auf das filigrane Schließwerk, dann schaltete Prof. Scheppach die Maschinen ab.

Die Truhe wird nun einen besonderen Platz im Weingut bekommen, als Schmuckstück nicht als Schatztruhe. Aufmachen lassen will Horst Kolesch sie nicht mehr. Hoffen wir, dass seine Stimmung durch den prognostizierten hervorragenden 2018er Jahrgang ein bisschen gehoben werden kann…..