Welches der Heime im Umfeld einer hochansteckenden Viruserkrankung als erstes getroffen wurde, hatte nichts mit der Frage der Fachkompetenz zu tun, sondern war reiner Zufall. Daher betone ich ausdrücklich, dass es unser Heim im Juliusspital genauso hätte treffen können in einer Phase, in der die Sensibilisierung der Bevölkerung erst begonnen hat. Unsere volle Solidarität gilt deshalb den vom Virus direkt betroffenen Einrichtungen.
Die Situation stellt eine nie dagewesene Herausforderung für Pflegekräfte dar, unter völlig anderen Voraussetzungen im Vergleich zum bisher üblichen Pflegealltag. Sie müssen sich mit Schutzmasken und ggf. Schutzmänteln ausstatten, um sich und die Pflegebedürftigen zu schützen. Sie müssen die Unsicherheit der Bewohner nehmen, sie müssen diese auffordern, in ihren Zimmern zu bleiben, sie dürfen keine Gemeinschaftsveranstaltungen mehr anbieten. Nicht von ungefähr hört man von Seniorinnen und Senioren, dass die jetzige Zeit sehr an Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg erinnere.
Qualifizierte Pflege ist nicht im Abstand von eineinhalb Metern machbar
Doch eine qualifizierte Pflege an einem Menschen ist nicht im Abstand von eineinhalb Metern machbar. Eine Infizierung ist daher trotz Schutzausrüstung, falls vorhanden, nicht ausgeschlossen. Fatale Folge einer Infizierung von Personal ist die sofortige Herausnahme aus dem Dienst. Zurück bleiben die Pflegebedürftigen, die vom verbleibenden Personal weiter betreut werden. Trotz immenser psychischer und physischer Belastungssteigerungen verlängern die Pflegekräfte ihre Schichtzeiten und arbeiten viele Tage am Stück. Oft wird auf Pausen verzichtet, um sich so gut wie möglich um die Bewohner kümmern zu können und dem Anspruch der eigenen Grundhaltung gerecht zu werden.
Sytemrelevanz - ist diese Bewertung von Dauer?
Pflege und Medizin werden heute gerne als systemrelevant bezeichnet. Es ist zu hoffen, dass diese Bewertung von Dauer ist. Es muss gelingen, dass die hochqualifizierten Pflegekräfte auch nach der Krise gut in ihrem Beruf arbeiten können und sich nicht von diesem wichtigen Beruf abwenden. Wir müssen die aktuelle Wertschätzung konservieren, und zwar gleichermaßen für alle Pflegekräfte, die in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Hospizen und ambulanten Diensten rund um die Uhr Dienst leisten. Der in den vergangenen Tagen wiederholt gespendete Applaus für ärztliche und pflegerische Arbeit ist gut, darf aber nicht alles bleiben. Es braucht mehr. Viel mehr! Das zum Beispiel:
Wenn diese folgenreiche Krise etwas Gutes haben soll, dann müssen wir die Entlastungsmöglichkeiten in Krankenhäusern und Pflegeheimen endlich angehen. Nicht irgendwann, sondern sofort nach Bewältigung der Krise!
Walter Herberth
Leiter der Stiftung Juliusspital Würzburg
(Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor und Leiter der Stiftung Juliusspital Würzburg kämpft als Stiftungsnachbar und Mitstreiter von Annette Noffz, Leitende Stiftungsdirektorin Würzburger Bürgerspital zum Hl. Geist seit langem – unter anderem in zwei mainfränkischen Pflegegesprächen in Zusammenarbeit mit der Main-Post – für eine bessere Wertschätzung der Arbeit in der Kranken- und Altenpflege.